Liebe BILD-Zeitung. Jetzt mal unter uns.

Normalerweise kommentiere ich ja Auswüchse des Qualitäts-Journalismus der BILD-Zeitung nicht. Heute mache ich mal eine Ausnahme.

Die BILD titelt online „BUNKERZULAGE, ANTENNENGELD, KLIMA-ERPROBER – Diese Extras sollen die Bundeswehr attraktiver machen“ und nennt „kuriose“ Zulagen für Beamte und Soldaten. Mal abgesehen davon, dass fast jeder Soldat nach Abschaffung der Wehrpflicht quasi ein Beamter auf Zeit oder Berufsbeamter ist, so kurios sind die Zulagen gar nicht. Und viele sind durchaus begründet und machen den Dienst in den Streitkräften, der nicht wirklich ein Zuckerschlecken sein kann erst attraktiv.

Als ehemaliger Zeitsoldat habe ich die Zulagen auch gerne genommen. Dafür habe ich aber auch Einschnitte in meine Work-Life-Balance hingenommen. Würde ich das heute zulassen, würde ich eine Gehaltserhöhung oder Bonuszahlungen verlangen. Oder wie mein alter Oberfeldwebel immer gesagt hat „Männer, ihr seid wie XXX, für mehr Geld lasst ihr euch länger bumsen!“ Und Recht hatte er.

Jetzt aber mal die „kuriosen“ Zulagen betrachtet:

  • Die „Antennen-Kletterer“-Zulage, eine Art Gefahrenzulage für Arbeiten an ungesicherten hohen Arbeitsplätzen. Also eine Gefahrenzulage. Wird auch auf dem Bau gezahlt als so genannte Erschwernis-Zuschlag. Und ist, oh Wunder, nur wenige Cent niedriger als der Zuschlag für Beamte. Kurios? Keineswegs, liebe BILD!
  • „Klima-Erprober“: Hier wird nicht angemerkt, wie extrem die Voraussetzungen für die Zahlung der Zulage sind. Dazu muss beispielsweise der Wind-Chill-Factor mindestens 1400 Punkte betragen. Das ist etwa bei dauerhaft -20 Grad Celsius und 10 km/h Windgeschwindigkeit der Fall, alternativ bei -10 Grad Celsius und 20 Km/h Windgeschwindigkeit. Witterungsumstände, die man nicht als alltäglich und auch nicht gerade als gesundheitsfördernd betrachten kann. Ich jedenfalls würde freiwillig nicht aus dem Haus gehen bei diesen Witterungsbedingungen.
  • „Blindgänger-Vernichter“: Klingt harmlos, ist aber nicht so. Hier handelt es sich um Mitglieder der EOD-Teams, die Sprengfallen aufspüren und entschärfen sowie Mitglieder des Kampfmittelräumdienstes, die ihr Leben aufs Spiel setzen um Weltkriegs-Munition und -Bomben zu entschärfen oder zu sprengen. Alles eine hoch gefährliche Aufgabe, bei der schon viele dieser „kuriosen“ Zulage-Empfänger Ihr Leben für Zivilisten aufs Spiel gesetzt und verloren haben.
  • Kindergeld: Was ist hier „kurios“? Alle Eltern bekommen Kindergeld. Also auch Beamte und Soldaten. Dass hier ein anderer Zahler zuständig ist, ist nichts besonderes, denn Beamte werden aus einer anderen Kasse bezahlt als Angestellte. Auch bei der „Rente“ bzw. „Pension“. Die Höhe des angegebenen Kindergeldes ist die selbe wie für alle „Normalsterblichen“. Bundeswehr-Angehörigen ein höheres Kindergeld zu zahlen halte ich nicht für verwerflich. Aus eigener Erfahrung (auch wenn es mich nur einmal erwischt hat), ist die Gründung einer Familie für Angehörige der Streitkräfte nicht unbedingt ein Zuckerschlecken. Versetzungen, Auslandseinsätze und zeitliche Belastung macht es manchmal wirklich schwer, eine Familie am Laufen zu halten.
  • „Versuchstier-Betreuer“, „ABC-Abwehr-Erprober“: Wieder eine Gefahrenzulage die nicht unbedingt „kurios“ ist. Denn so weit hier überhaupt noch Einsätze stattfinden, liegen die Zuschläge, die eine Regelmäßigkeit voraussetzen sogar deutlich unter der Gefahrenzulage für Angestellte der Feuerwehr. Ich will der Feuerwehr hier nicht die Berechtigung zu dieser Zulage absprechen, sondern nur eine Relation anbieten. Während regelmäßig mit hochgiftigen Stoffen arbeitende Soldaten Zulagen in Höhe von zwischen 46 Euro und 92 Euro erhalten, liegt die Standardzulage für Berufsfeuerwehrler bei 64 bis 127 Euro.
  • Bergführer: Auch eine Gefahrenzulage, da Bergführer ihr Leben als Soldat zusätzlich durch ihren Einsatz in großen Höhen aufs Spiel setzen. Zudem werden die Bergführer des Heeres auch unterstützend bei Bergrettungen eingesetzt.
  • „Jet-Piloten“: Der Dienst als Pilot eines Kampjets der Luftwaffe ist sicherlich nicht „kurios“ sondern eine hohe Belastung für Körper und Geist. Nicht ohne Grund verlassen die Offiziere des Fliegerischen Dienstes die Bundeswehr in der Regel mit 41 Jahren.
  • Marine-Soldaten: Auch wenn uns das die BILD gekonnt verschweigt, diese Zulage erhalten nicht alle Angehörigen der Marine auf Schiffen, sondern nur jene, die „seegehen“, also zur See stechen.
  • U-Boot-Besatzungen: Jeder der sich „Das Boot“ mal genauer angesehen hat, weiß, wie eng es auf deutschen U-Booten im 2. Weltkrieg zuging. Davon sind die U-Boote der Bundesmarine zwar schon etwas weiter entfernt, geräumig wie es Hollywood auf dem strategischen Atom-U-Boot der russischen Marine in „Jagd auf Roter Oktober“ aussehen lässt, ist es aber bei weitem noch nicht. Ohne diese beiden Zulagen würde die Bundesmarine wohl stark an Attraktivität verlieren und damit einem noch größeren Nachwuchsproblem gegenüber stehen als sie es ohnehin tut.
  • Fallschirmspringer: Kurios finde ich eher, dass Menschen ohne Not aus einem funktionierenden Flugzeug springen. Die Zulage wird da wohl auch ein Anreiz sein neben dem Nervenkitzel.

Wirklich kurios sind diese Zulagen also kaum. Die meisten sind auch bei „normalen“ Berufen Gang und Gäbe oder ohenhin schon durch ein höheres Gehalt ausgeglichen. Oder würde jemand für den Lohn einer Metzgereifachverkäuferin bei der Feuerwehr anfangen?

Die Bundeswehr braucht Nachwuchs. Dieser muss durch Anreize geworben werden. Jede Firma der freien Wirtschaft kauft sich die besten Mitarbeiter, welche es sich leisten kann. Wer mehr bezahlt, bekommt in der Regel die besseren Angestellten und Arbeiter. Wer weniger bezahlt, bekommt das was übrig bleibt. Da die Bundeswehr in der heutigen Zeit auf motivierte und zu Auslandseinsätzen bereite Soldaten angewiesen ist, muss sie etwas für die Attraktivität des „Jobs“ Soldat tun um nicht nur Tötungs-geile Killer zu bekommen, die schon immer der erste sein wollten, der im Dorf einen amtlich bestätigten Kill hat.

Die Einführung einer einzelnen Zulage, der „Bunkerzulage“ nimmt die BILD hier zum Anlass, gegen die Bundeswehrreform der Verteidigungsministerin zu schießen und den Beruf des Soldaten so darzustellen, als ob er ohnehin schon genug Geld bekommt um für die Verteidigung deutscher Interessen seinen Kopf am Hindukusch zu riskieren.

Danke, liebe BILD-Zeitung, dass du mir wieder einmal gezeigt hast, dass dein „Journalismus“ einfach nur Müll ist.