Regensburg wird Fahrrad-Stadt?

"Stadt fährt Rad" Titelseite des Flyers der Stadt Regensburg
„Stadt fährt Rad“ Titelseite des Flyers der Stadt Regensburg

Heute hat Oberbürgermeister Joachim Wolbergs auf Youtube den Start des neuen Fahrrad-Konzepts für die Altstadt bekannt gegeben. Er wirbt für ein Miteinander statt gegeneinander. Ich selbst fahre nicht Rad, sondern bewege mich noch ein Stück weiter hinten in der „Nahrungskette des öffentlichen Nahverkehrs“. Laut Wolbergs sind es 95 % der Radfahrer, die sich vernünftig verhalten. Vernünftig heißt in meinen Augen, dass man sich an die Verkehrsregeln hält. Also zum Beispiel nicht auf den als Fußgängerweg gekennzeichneten, engen Behelfsstegen hindurch schkängelt, die derzeit wegend er Restaurierung der Steinernen Brücke die Donau überspannen.

Dass eben nicht 95 % vernünftig sind, zeigen Kontrollen, die im Jahr 2011 vor und nach eben diesen Behelfsstegen durchgeführt wurden. 75 % der Radfahrer fuhren also auf dem Fußweg. Und sie machen das immer noch. Ich überquere die Donau auf der Steinernen nicht unbedingt regelmäßig, aber es ist immer ein Radfahrer unterwegs, der meint, die paar Meter müsse er nicht absteigen.

Natürlich muss das jetzt nicht zwingend heißen, dass das Konzept Fahrrad-freundliche Altstadt eine Totgeburt ist. Nur sind meine Erfahrungen was die Rücksicht der Radfahrer auf Fußgänger angeht, eben sehr durchwachsen. Ich sehe täglich mindestens einen Radler, der auf der falschen Straßenseite unterwegs ist. Insbesondere beim DEZ am Fuße der Nibelungen-Brücke tun sie das gerne. Denn um auf der richtigen Seite zu fahren, muss man, vom alten Eisstadion kommend eben einmal unter der Brücke durch und erst dann wieder hoch. Das sind ernsthaft 300 Meter Umweg. Das kann man doch von einem Radler nun wirklich nicht verlangen!

Im Winter wird dann auch gerne mal der Fußweg genutzt, so dass der Fußgänger in die Schneeberge springen muss. Und Schuld ist der Radler nie. Wenn man dann mal drauf hinweist, dass das so jetzt nicht ganz in Ordnung ist, wird man gleich beschimpft…

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Noch eine Stelle, an der ich schon zwei Mal einen Beinahe-Zusammenstoß mit einem Radler hatte ist direkt bei meiner Arbeitsstelle um die Ecke. Da wo die Bamberger Straße in due Würzburger Straße einmündet, besteht für Radfahrer die Möglichkeit den Weg am Kanal entlang zu nehmen. Eigentlich könnten sie den Fußweg schon entlang der gesamten Bamberger Straße und davor nutzen, doch der ist erst ab dem Max-Buchhauser-Garten geteert. Und man könnte ja dreckig werden. Deswegen kommt es regelmäßig vor, dass wieder einer der Radelrowdies am Ende der Bamberger Straße mit voller Geschwindigkeit den kleinen Weg hinauf in den geteerten Bereich hineinrast. Der Weg ist so knapp, dass dort nur zwei Personen nebeneinander gehen können. Und wer wird dann beschimpft, weil er nicht schnell genug in den Dreck neben dem Fußweg gesprungen ist? Der Fußgänger natürlich.

So soll die Altstadt für Radfahrer erschlossen werden. Plan aus dem Flyer der Stadt Regensburg
So soll die Altstadt für Radfahrer erschlossen werden. Plan aus dem Flyer der Stadt Regensburg

So wie auf dem Auszug links sollen Radfahrer also ab dem 1. April die Altstadt von Regensburg durchfahren dürfen. Und hoppla. Das dürfen die ja nur in eine Richtung im Norden und in die andere Richtung im Süden. Auch hier wieder mein Einwand: da hält sich ja selbst jetzt keiner dran. In der Gesandtenstraße ist es zumindest am Wochenende fast jedem Radler egal, in welche Richtung er gerade fährt. Zwar ist am Wochenende weniger Verkehr und der Altstadt-Bus fährt auch nicht, an der Regelung ändert dies aber nichts.

Und huch. Am Fischmarkt ist Fußgängerzone. Keine Freigabe für Radfahrer. Hat dort auch schon lange niemanden mehr interessiert.

Ich glaub ich stell mich aus purer Langeweile mal ne Stunde an ein paar Orte und dokumentiere das mit. Denn eines weiß ich jetzt schon. Die Radfahrer werden sich nicht an Schrittgeschwindigkeit und Rücksicht halten. Zumindest gute 50 % der Radler. Und die Stadt wird am Ende des Probezeitraums sagen „War doch nicht so schlimm. Lassen wir es so.“

2 Kommentare

    • Michael auf 31. März 2015 bei 15:59

    Als Radfahrer – und ich nehme an einer von der rücksichtsvollen Sorte – sehe ich da ein paar Dinge anders.

    Thema Behelfsstege: Wenn wenig bis kein Verkehr ist, z.B. spät abends, kann man da durchaus mal mit dem Rad durch fahren/rollen, natürlich nur mit gemäßigter Geschwindigkeit und immer bremsbereit. Wenn die Behelfsstege dagegen überwiegend mit Touristen vollgestopft sind wär mir das fahrenderweise zu blöd. Da kommt man ja selbst zu Fuß kaum vorwärts.

    Thema Winter: Ich bin kein Winterradfahrer. Ich nehme aber an, dass das ganze daher kommt, dass die Radwege nicht geräumt sind bzw. die von der Straße kommenden Schneeberge auf dem Radweg landen. Ob es in so einem Fall dann sinnvoller oder sicherer ist, auf die Straße auszuweichen, weiß ich nicht. Ich lasse da mein Rad einfach daheim stehen und gehe zu Fuß.

    Bamberger Straße: Auch ich fahre da gerne auf der Straße unten und dann den kleinen Weg rauf, aber nicht nur wegen dem fehlenden Teer, sondern auch aus Rücksicht vor den Fußgängern (gerne mal mit Hund) oben auf dem Fußweg. Auf der Straße kommt man einfach schneller voran. Dass man den kleinen Weg mit einer gewissen Geschwindigkeit anfahren muss, liegt einfach an der Steigung. Allerdings schau ich vorher, ob sich gerade Fußgänger oder andere Radfahrer dem Weg nähern und warte ggf. bis der Weg frei ist. In letzter Zeit biege ich aber eh vorher schon nach links ab und fahr an der Frankenstraße entlang.

    Altstadt und Einbahnstraßen/Fußgängerzonen: Ganz ehrlich achte ich als Radfahrer (und auch als Fußgänger) in der Altstadt nicht wirklich auf die Verkehrsführung. Ich achte lieber auf den Fußgängerverkehr um mich herum und übersehe dabei schon mal das eine oder andere „versteckte“ Verkehrsschild. Das soll keine Entschuldigung oder Rechtfertigung sein, es ist einfach eine Tatsache und es steckt auch keine böse Absicht dahinter.

    Dieses Verhalten wurde von der Stadt in letzter Zeit auch geduldet (nicht erlaubt!), solange man sich ordentlich verhält. Durch die neue Regelung wird das zukünftig in den meisten Bereichen auch ganz offiziell erlaubt. Siehe „Was ändert sich?“ hier: http://www.regensburg.de/leben/verkehr-mobilitaet/fahrradfahrer/radeln-in-der-altstadt

    „In der einjährigen Testphase wird das Radfahren in nahezu allen Fußgängerbereichen der Altstadt zugelassen. […] Außerdem werden fast alle Einbahnstraßen für den Radverkehr in Gegenrichtung geöffnet.“

    Noch eine Richtigstellung: Der Altstadtplan entstammt dem Flyer von 2009 und stellt die gegenwärtige Situation – also vor der Neuregelung – dar.

    Ich hoffe, dass sich der Großteil der Radfahrer auch tatsächlich vernünftig und rücksichtsvoll verhalten wird, damit die Neuregelung auch nach der Testphase erhalten bleibt. Ich finde die ganz angenehm und sinnvoll.

      • Mike auf 31. März 2015 bei 16:17
        Autor

      Von den Rücksichtsvollen Radfahrern rede ich auch nicht, sondern von denen, wegen derer ich des öfteren zur Seite springen muss.
      Der Flyer auf https://www.regensburg.de/leben/verkehr-mobilitaet/fahrradfahrer/radeln-in-der-altstadt ist das Einzige was man einen (!) Tag vor Lockerung der Regeln findet. (Und dafür hat die Stadt einen 5-stelligen Betrag für eine Flyer- und PR-Kampagne ausgegeben….)
      Und ganz ehrlich, wenn Radfahrer jederzeit die Einbahnstraßen Gesandtenstraße / Ludwigstraße in beide Richtungen befahren dürfen seh ich jetzt schon Leichen in der Altstadt. Da haben Fußgänger und Altstadtbus schon kaum Platz nebeneinander…
      Auch halte ich es an einigen Stellen einfach nicht für sinnvoll, die Fußgängerzone zu öffnen. Zum Beispiel beim Fischmarkt wo es meistens sehr unübersichtlich zugeht, am roten Herzfleck runter ist auch so eine Ecke. Und es gibt noch einige mehr, wo man als Fußgänger nicht unbedingt einem Radfahrer (selbst in gemäßigtem Tempo) begegnen möchte.
      Und was die Behelfsstege angeht: Da man schaue sich die Dinger doch an. Sieht man immer gleich ob einem Fußgänger entgegen kommen? Oder ob da ein kleines Kind um die Ecke steht?
      Bamberger Straße: Du weißt nicht nur als Radfahrer, dass es da eng zugeht. Da fährt man nicht mit 20 / 25 Km/h hoch. Machen aber viele. Und wenn du als Fußgänger net ganz schnell weg bist musst dich auch noch beschimpfen lassen. Schon mehr als einmal passiert.
      Winter: Wenn es schneit, steig ich eben nicht aufs Rad. Wir haben einen ziemlich guten ÖPNV in Regensburg. Aber auf dem gerade mal auf einem Meter Breite geräumten Fußweg als Radfahrer entgegen der Fahrtrichtung und dann meckern dass der Fußgänger nicht zur Seite geht?? Hallo?
      Das ganze kann nur funktionieren, wenn alle aufeinander Rücksicht nehmen. Da sehe ich aber zunehmend die Radfahrer in die Pflicht. Und bei denen sehe ich Schwarz.

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